In den letzten zehn Jahren wurden sehr viele Zuchtrinder aus Österreich nach Algerien exportiert. Fast 90 Prozent davon waren Fleckvieh-Tiere. Aktuell ist Algerien der wichtigste Kunde für unsere Zuchtrinderproduzenten. Fleckvieh aus Österreich ist in Algerien wegen seiner Robustheit, Resilienz und Doppelnutzungseignung sehr gefragt. Auch der Absatz von Genetik in Form von Samen entwickelte sich im letzten Jahr besonders erfreulich. Eine österreichische Delegation reiste nach Algerien, um Kunden zu besuchen und sich ein Bild der Situation der Viehzucht im Land zu machen – mit dem Ziel, eine bedarfsgerechte Unterstützung seitens Österreich anbieten zu können. Die Reise wurde von der österreichischen Außenwirtschaftscenter in Algier bestens vorbereitet und betreut.
Der Riese im Norden Afrikas
Algerien ist flächenmäßig das größte Land Afrikas und rund 28-mal größer als Österreich. Im Land leben aktuell rund 46 Millionen Menschen. Die größten Einnahmen erzielt Algerien aus dem Export von Erdöl, Erdgas, Düngemitteln, Zement und Agrarprodukten. Auch die Landwirtschaft genießt einen hohen Stellenwert. Rund 20 Prozent der Einwohner sind in der Urproduktion oder in nachgelagerten Bereichen beschäftigt. Das durchschnittliche Einkommen liegt bei rund 390 Euro pro Monat. Der Staat subventioniert den Verkauf von Grundnahrungsmitteln, um auch für einkommensschwache Bevölkerungsschichten eine Grundversorgung sicherstellen zu können.
Algerien – ein Land der Vielfalt und der Gegensätze
Land der Milchtrinker
Algerien ist ein Land mit hohem Milchkonsum: Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei rund 140 Kilogramm und ist damit wesentlich höher als in Österreich. Die rund eine Million Milchkühe im Land reichen bei weitem nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Große Mengen an Milchpulver müssen importiert werden. Gleichzeitig steigt auch die Nachfrage nach Produkten aus Frischmilch. Der Staat und die Molkereien zeigen großes Interesse, durch den Import von Zuchtrindern die Milchproduktion im Land anzukurbeln. Je nach Region wird ein Milchpreis von rund 50 Cent pro Liter an die Lieferanten bezahlt.
GÖWEIL – Algerien setzt auf Know-how aus Österreich
Viele Molkereien bieten ein Modell der Vorfinanzierung der Zuchtkalbinnen mit Rückzahlung über die Milchlieferung an. Der Staat fördert den Ankauf von Zuchtrindern aus dem Ausland nicht mit Direktzuschüssen, sondern mit Steuererleichterungen und zinsgünstigen Krediten. Zudem gibt es finanzielle Unterstützung für die Aufzucht weiblicher Zuchttiere aus importierten Tieren sowie eine gesetzliche Regelung, dass importierte Zuchtrinder bis zum Alter von acht Jahren nur mit tierärztlicher Bescheinigung aus der Milchproduktion genommen und geschlachtet werden dürfen.
Know-how aus Österreich ist gefragt
Im Zuge der Reise wurde auch die größte Agrarmesse des Landes in Algier besucht. Unsere Delegation besichtigte erfolgreiche österreichische Unternehmen am algerischen Markt wie BAUER Bewässerungstechnik und den Maschinenhersteller GÖWEIL. Das für die Rinderfütterung notwendige Grundfutter wird vielfach nicht auf den Betrieben selbst produziert, sondern in Form von Maissilage oder Luzerne-Rundballen über große Distanzen im Land transportiert. GÖWEIL ist mit seiner Rundballentechnik ein Marktführer in Algerien.
Land der Gegensätze
Ein wesentlicher Bestandteil der Reise waren Besuche auf Betrieben, die in der Vergangenheit Zuchtrinder aus Österreich importiert haben. Das österreichische Außenwirtschaftscenter organisierte dafür mehrere Farmbesichtigungen im Norden des Landes. Die Struktur der Milchwirtschaft ist in Algerien vielschichtig: Neben großen Einheiten, die Investoren oder Molkereien gehören, setzen auch viele kleinere Familienbetriebe auf die Viehhaltung. Die besuchten Betriebe boten einen guten Querschnitt über die verschiedenen Betriebsmodelle im Land und lieferten Mag. Vera Hinteregger, zuständig für veterinäre Angelegenheiten in der Rinderzucht Austria, einen Überblick über die Lebensbedingungen der Tiere.
Molkereiwirtschaft schätzt Fleckvieh
Die HODNA LAIT Farm steht im Eigentum einer Molkerei und hält rund 700 Rinder bei rund 400 Kühen in Milch. Die Tagesgemelke der Fleckviehkühe liegen bei rund 25 Kilogramm. In der Produktion stehen Fleckvieh- und Brown-Swiss-Tiere aus Österreich, die von der Firma Schalk Nutztiere gekauft wurden, in direkter Konkurrenz mit Holstein-Tieren aus Irland und Montbéliarde-Tieren aus Frankreich. Geschätzt wird die Robustheit der Fleckviehtiere ebenso wie deren Stärke im Fett- und Eiweißgehalt der Milch.
Zuchtkalbinnen aus Österreich auf der HODNA LAIT Farm
Eine aus dem Zuchtgebiet des RZO stammende HAYABUSA-Tochter in der 3. Laktation auf der FERME IBRAHIM Farm
Die FERME IBRAHIM Farm ist im Eigentum eines Unternehmers aus der Fertigteilhaus-Branche und zählt zu den bestgeführten Rinderzuchtbetrieben im Land. Seit 2012 besteht eine Kooperation mit der Genetic Austria. 2012 und 2019 wurden Fleckviehtiere aus Österreich importiert. Die Herde umfasst rund 200 Tiere, davon etwa 120 Milchkühe, mit einer durchschnittlichen Tagesleistung von rund 25 Kilogramm. Durch die intensive Zuchtarbeit und konsequente Aufzucht bilden mittlerweile mehrere Generationen von Kühen mit österreichischer Genetik die Herde. Die Farm verarbeitet die produzierte Milch in einer eigenen Molkerei und verkauft die Produkte unter der Eigenmarke Montebello in eigenen Geschäften.
Rinderzucht-Austria-Tag in Theorie und Praxis
Der Betrieb von Yussuf Tiar bot optimale Bedingungen für eine Vortragsveranstaltung für leitende Mitarbeiter von CNIAAG und TIAR. Die staatliche Besamungsstation CNIAAG ist der Partner der Genetik Austria in Algerien. Reinhard Pfleger und Peter Kreuzhuber informierten über die Stärken des österreichischen Fleckviehs und boten Hilfestellung bei der Selektion geeigneter Genetik für den algerischen Markt. Parallel dazu führte Reinhard Pfleger ein Stallseminar für Multiplikatoren beider Organisationen durch. Direkt am Tier wurde die Exterieurbeurteilung als Basis für die gezielte Anpaarung der Tiere erarbeitet. Die Auswahl der richtigen Genetik zur Verbesserung der nächsten Generation stieß auf großes Interesse. Die Veranstaltung verfolgte das Ziel, praxisrelevantes Know-how aus Österreich über die anwesenden Multiplikatoren an die rund 500 Besamungstechniker der CNIAAG weiterzutragen.
FleckScore-Seminar für Multiplikatoren auf der FERME IBRAHIM Farm
Die Zuchtleiterin der CNIAAG erhielt die Fleckvieh Austria Ehrenglocke für ihre erfolgreiche Arbeit in Algerien
Rinderhaltung sichert Leben und Zukunft
Im Zuge der Reise wurden auch mehrere Familienbetriebe mit Herdengrößen von rund 20 bis 50 Tieren besucht. Im Vergleich zu den größeren Einheiten wird hier oft mit einfachen Mitteln versucht, mit importierten Zuchtrindern Einkommen für die Familie zu erwirtschaften. Die Landwirtschaft ist in strukturschwachen Regionen oft die einzige Erwerbsquelle – und somit essentiell zur Sicherung der Ernährung und Lebensgrundlage der Menschen. Die Stallungen sind meist einfach aber zweckmäßig ausgeführt. Die Tiere werden häufig ganztägig auf Weiden gehalten und nur zum Melken im Stall untergebracht. Die Reproduktion erfolgt vielfach über Natursprung mit Stieren, die aus den importierten Zuchtkalbinnen stammen.
Yussuf Tiar setzt auf seiner FERME IBRAHIM Farm seit Jahren auf Fleckvieh-Genetik Made in Austria
Zugang zu agrarischer Bildung
In Algerien fehlt ein organisiertes landwirtschaftliches Schulwesen für die Basisausbildung von Landwirten. Nur Hochschulen und Universitäten lehren Landwirtschaft und Viehzucht. Fehlendes Know-how in der Rinderhaltung ist daher vielfach die Ursache für mäßige Produktionsleistungen auf den Familienbetrieben. Positiv fiel der gute Umgang der Bauern mit den Tieren auf. Fleckvieh punktet speziell in den kleineren Einheiten zudem mit seiner Fähigkeit, sich an härtere Umweltbedingungen anzupassen, ohne dass die Tiergesundheit darunter leidet. Um die Rinderhaltung nachhaltig zu stärken, ist es für die Zukunft sicher entscheidend, gemeinsam mit Molkereien, Zuchtrinderimporteuren und staatlichen Einrichtungen wie CNIAAG Bildungsstrukturen für Landwirte aufzubauen.
HERMELIN-Tochter aus dem Zuchtgebiet des RZO in der 3. Laktation auf der Weide in Algerien
Tiergesundheit
In der Nähe von Algier konnte auch eine Quarantänestation für importierte Zuchtrinder besichtigt werden. Nach Ankunft im Hafen von Algier werden alle Tiere, die ins Land kommen, in die nächstgelegene Quarantänestation gebracht. Während der 21-tägigen Quarantäne werden die Tiere tierärztlich untersucht, es erfolgen Blutuntersuchungen sowie Impfungen, bevor sie an ihre neuen Besitzer verbracht werden.
Zusammenfassung und Ausblick
Algerien ist aktuell der wichtigste Abnehmer von Zuchtrindern aus Österreich. Fleckvieh ist aufgrund seiner Vielseitigkeit und Robustheit im Land besonders gefragt – obwohl unsere Zuchtrinder zu den weltweit teuersten zählen. Der Kauf von Zuchtrindern aus Österreich ist für algerische Betriebe daher immer eine große Investition. Die Viehhalter sind bestrebt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten gute Bedingungen für ihre Tiere zu schaffen – denn die Produktion von Milch und Fleisch ist essentiell für die Sicherung des Lebensunterhalts der oft großen Familien. Die Regierung strebt den weiteren Ausbau der Eigenversorgung mit Milch und Fleisch an. Die Vergabe von Steuererleichterungen und geförderten Krediten für den Ankauf von Zuchtrindern wird staatlich überwacht und ist an eine möglichst lange Phase der Milchproduktion gebunden.
Österreichs Fleckviehzucht steht in Algerien seit Jahrzehnten für Qualität und Verlässlichkeit. Durch langjährige Partnerschaften hat sich Österreich das Vertrauen der algerischen Entscheidungsträger nachhaltig erarbeitet. Unser besonderer Dank gilt daher abschließend den Repräsentanten der Rinderzucht Austria, den österreichischen Genetik-Exporteuren sowie dem österreichischen Außenwirtschaftscenter Algier für deren Engagement, diese traditionsreiche und von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Partnerschaft zwischen Österreich und Algerien laufend zu fördern. Damit wird zur positiven Entwicklung der algerischen Rinderwirtschaft beigetragen.
Autor: Ing. Reinhard Pfleger, Fleckvieh Austria