Am Fuße des Wechsels, der die Bundesländer Niederösterreich und Steiermark trennt, liegt der Betrieb der Familie Haas in Sankt Lorenzen am Wechsel – wie der Hofname „Ferdl bei da Kirchn“ schon ahnen lässt – mitten im Ort. Betriebsleiter Ferdinand Senior arbeitet hauptberuflich beim LKV und Ferdinand Junior ist Zuchtberater in der Oststeiermark. Zudem leitet er seit 2016 als Obmann die Jungzüchter in der Steiermark.
Da der Betrieb im Nebenerwerb bewirtschaftet wird, ist er so organisiert, dass ein Großteil der Arbeiten alleine gemacht werden kann. Dafür wurde im Jahr 2002 ein neuer Offenfront-Stall mit Tiefboxen und Spaltenboden gebaut. Betriebsleiterin Birgit macht in der Regel die Stallarbeit, alle anderen Arbeiten werden tagsüber erledigt. Um auch den Hobbys nachgehen zu können, wird vor allem am Wochenende der Stalldienst in der Familie gewechselt.
Familie Haas, v. l. n. r. Ferdinand, Katharina, Birgit, Magdalena, Ferdinand
Fütterungsmanagement
Die Milchkühe bekommen über den Futtertisch Heu, Gras- und Maissilage und zum Anlocken dreimal täglich etwas Getreideschrot. Ein speziell für den Betrieb zusammengestelltes Fertigfutter erhalten sie über die Kraftfutterstation. Am Vormittag haben alle Kühe für zwei bis drei Stunden Weidegang. Dies dient hauptsächlich zum Abfressen der Steilflächen an der Hofstelle. Trockensteher und Kalbinnen genießen im Sommer die Ganztagsweide. Im Winter werden sie mit Heu und Grassilage bzw. Futterresten von den Milchkühen gefüttert. Die Kälber bekommen dreimal am Tag angesäuerte Vollmilch (ad libitum), Kälbermüsli und Heu.
Neben ihrer Zeit im Stall verbringen die Kühe am Vormittag zwei bis drei Stunden auf der Weide
Bei 75 Prozent der Ackerflächen wird ein mehrjähriges Kleegras oder Luzerne angesät. Im vierten oder fünften Jahr wird nach dem ersten Schnitt Silomais angebaut. Diesen fräst ein Lohnunternehmer zum Erosionsschutz in den Boden ein. Durch eine humusmehrende Bearbeitung kann Familie Haas die Flächen schon seit vielen Jahren ohne Handelsdünger bewirtschaften. Lediglich Kalk wird auf alle Flächen einmal jährlich gestreut.
Erfolgreiche M-Kuhfamilie
Die wohl erfolgreichste Kuhfamilie am Betrieb ist die M-Linie. Die Stammmutter BINA wurde nach dem Stallbau 2009 als trächtige Kalbin auf der Zuchtrinderversteigerung in Greinbach zugekauft. Da es bereits zuvor eine starke B-Linie auf dem Betrieb gab, wurden ihre Nachkommen mit M benannt.
Bei der Genossenschaftsschau Friedberg im Jahr 2011 wurde sie mit drei Kälbern Reservesiegerin.
Ihre WAL-Enkelin MAUSI war 2016 bei der Steiermarkschau in Traboch. Sie ist die Großmutter von GS HERZTAKT und die Urgroßmutter von GS WECHSEL. Zudem wurde ihre GS DER BESTE-Tochter MARIKA im September erfolgreich bei der Bundesfleckviehschau in Freistadt ausgestellt.
MAUSI (V. Wal), Großmutter von GS HERZTAKT, Urgroßmutter von GS WECHSEL
Da die Tiere aus der M-Linie immer durch ihre Unkompliziertheit, ihre hohe Persistenz und ihren umgänglichen Charakter auffielen, wurde MUH als erstes weibliches Tier am Betrieb typisiert. Als beste VLAX-Tochter mit einem genomischen Gesamtzuchtwert von 136 entschied man sich, diese über einen Embryotransfer zu nutzen.
Aus der Spülung mit HERZSCHLAG entstand unter anderem der Stier GS HERZTAKT und die HERZSCHLAG-Tochter MANTI – die Mutter von GS WECHSEL.
GS HERZTAKT, bester HERZSCHLAG-Sohn, GZW 136, MW 124, + 1.058 M-kg, Persistenz 118 (ZWS Aug. 22)
GS WECHSEL GZW 131, Nutzungsdauer 118, Melkbarkeit 119, Kalbeverlauf pat. 120 (ZWS Aug. 22)
Zucht und Besamung
Bei der Stierauswahl ist den beiden Eigenbestandsbesamern Ferdinand Senior und Junior wichtig, dass die Stiere genau auf die Kühe bzw. Kalbinnen passen. Dafür wird für jedes Tier individuell ein Stier im Vorhinein ausgesucht und bestellt. Besamt werden nur genomische Jungvererber, wobei von jedem nur wenige Portionen eingesetzt werden.
Da Familie Haas von GS HERZTAKT überzeugt ist, machten sie bei ihm im Jahr 2018 eine Ausnahme und belegten mit ihm alle Tiere, die nicht mit ihm verwandt waren. Aktuell stehen vier Töchter in erster und zweiter Laktation am Betrieb.
Dass die GS HERZTAKT-Töchter auch auf anderen Betrieben funktionieren, zeigt sein aktueller Gesamtzuchtwert von 136. Überlegt man, dass er als Jungstier mit einem Gesamtzuchtwert von 134 angekauft wurde, sind es unter Berücksichtigung der Abschreibung (10 Punkte) satte 12 Punkte, die er nun über seinem Zuchtwert als Jungstier liegt. Somit ist er zurecht einer der großen Gewinner der Augustzuchtwertschätzung.
MARIKA (V. GS Der Beste) – erfolgreiche Teilnehmerin der BFVS in Freistadt
Aus züchterischer Sicht nahm sich Ferdinand Senior drei Dinge vor, die er als Betriebsleiter erreichen wollte: 1. einen erfolgreichen Zuchtstier zu züchten, 2. eine 100.000 kg Kuh zu haben und 3. einmal mit einer Kuh auf der Bundesfleckviehschau vertreten zu sein.
Mit GS HERZTAKT, der 100.000er Kuh BARBARELLA und der GS DER BESTE-Tochter MARIKA, die dieses Jahr auf der Bundesfleckviehschau zu sehen war, erfüllten sich nun alle drei Wünsche – was den Betriebsleiter sichtlich mit Stolz erfüllt.
Ein Anliegen des Betriebsleiterehepaares war es immer, seinen Kindern ein positives Bild der Landwirtschaft und die Liebe zu Fleckviehtieren zu vermitteln. Schon sehr früh unterstützten sie die Kinder bei den Jungzüchterwettbewerben und so fuhren sie schon im Alter von sechs Jahren mit ihren Kälbern zur Jungzüchterschau. So kommt es noch jetzt, dass auch die beiden Töchter, obwohl sie nicht mehr am Betrieb wohnen, noch mitanpacken, wenn Not am Mann bzw. an der Frau ist.
Blick in die Zukunft
Die Familie möchte ihren Milchviehbetrieb auch weiterhin im Nebenerwerb bewirtschaften, daher soll die Betriebsgröße bei maximal 20 Kühen bleiben. Sie streben eine problemlose Herde mit einer Durchschnittsleistung von 800 Fett+Eiweiß-Kilo an. Wenn es ihnen gelingt, die Lebensleistung zu steigern, hätten sie in Zukunft die Möglichkeit, noch mehr Kühe zur Zucht zu verkaufen.
