Familie Dichtl, Tirol

5-fach Lebensleistung pur – gelebte Zuchttradition in Osttirol

Seit mehr als sechs Jahrzehnten ist die Familie Dichtl, vulgo Krienhuber, aus Virgen in Osttirol für ihre erfolgreiche Fleckviehzucht bekannt.

In den 1990er-Jahren erhielt der Hof ein neues Fundament, als Leopolds Vater den Betrieb modernisierte. 1999 trat Leopold in seine Fußstapfen und übernahm die Verantwortung für den Familienbetrieb, den er heute gemeinsam mit seiner Frau Agnes führt.

Die Hofstelle in Hanglage im Ortsteil Niedermauern in Virgen (Foto: Leitner)

Die Hofstelle in Hanglage im Ortsteil Niedermauern in Virgen (Foto: Leitner)

Die Kinder Anna-Maria, Magdalena, Georg, Simon und Leonie unterstützen ihre Eltern mit großer Hingabe in ihrer Freizeit und engagieren sich mit besonderer Leidenschaft im Verein der Osttiroler Jungzüchter, insbesondere im Schauwesen. Das Anwesen der Familie Dichtl umfasst die Hofstelle sowie zwei Almen, die beide in Virgen liegen. Der Großteil der Tiere wird während der Sommermonate auf die eigene Merschenalm auf 2.248 Metern Seehöhe aufgetrieben. Ein Teil des Jungviehs verbringt den Sommer auf der Röggenalm in 2.200 Metern Seehöhe. Aktuell führt keine Weginfrastruktur direkt zur Merschenalm, doch es sind bereits Maßnahmen in Umsetzung, die eine wesentliche Erleichterung bei der Zufahrt zur Almhütte versprechen. Die Merschenalm, geöffnet von Juni bis September, ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer und bietet neben der atemberaubenden Aussicht auch regionale Spezialitäten wie Käse, Speck und Säfte an.

Familie Dichtl auf der Merschenalm: Leopold und Agnes mit den Kindern Anna-Maria, Magdalena, Georg, Simon und Leonie

Familie Dichtl auf der Merschenalm: Leopold und Agnes mit den Kindern Anna-Maria, Magdalena, Georg, Simon und Leonie

Blick auf die Merschenalm, wo die Milchkühe und ein Teil des Jungviehs gesommert werden (Foto: Dichtl)

Blick auf die Merschenalm, wo die Milchkühe und ein Teil des Jungviehs gesommert werden (Foto: Dichtl)

Haltung und Fütterung

Auf dem Betrieb werden 16 Milchkühe sowie 58 Nachzuchttiere in Kombinationshaltung und Laufstall mit Heimweide im Frühjahr und Herbst gehalten. Im Sommer wird gealpt.
Im Stall wird auf ein strenges Hygiene- und Klauenpflegeprogramm geachtet, um Krankheiten vorzubeugen und die Mobilität zu erhalten. Die Fütterung erfolgt ohne mechanische Unterstützung und umfasst die direkte Gabe von Siloballen aus dem ersten bis dritten Schnitt sowie Maisballensilage und Heu. Die Zufütterung von Milchleistungsfutter wird bedarfsgerecht je nach Milchleistung, Laktationsstadium und Kondition händisch vorgelegt. Heu und Silage von extensiveren Flächen wird separat an Trockensteher und Jungtiere verfüttert.

Lebensleistung im Fokus

Die hohe Lebensleistung der Tiere ist ein zentraler Erfolgsparameter am Betrieb Dichtl. Es ist immer wieder gelungen, Kühe zu halten, die über viele Jahre hinweg vital und robust Milch produzieren. Die durchschnittliche Lebensleistung der Herde liegt bei über 40.000 Kilogramm Milch. Aktuell haben fünf Kühe die beeindruckende Marke von 50.000-Kilogramm überschritten. Besonders hervorzuheben ist die Kuh ALMA (V: Vorteil) mit einer Lebensleistung von über 100.000 Kilogramm. ALMA wurde erfolgreich auf der Bundesfleckviehschau in Maishofen ausgestellt und besticht nach wie vor durch exzellentes Exterieur. Im Oktober steht die bereits 11. Abkalbung bevor. „Auf unsere Dauerleistungskühe sind wir besonders stolz“, betont Betriebsleiter Leopold.

„Golden Girl“ ALMA (V: Vorteil) mit über 100.000 Litern Lebensleistung – erfolgreiche Schaukuh (Foto: Keleki)

„Golden Girl“ BLANKA (V: Hupsol) beim Winterauslauf im tief verschneiten Virgen (Foto: Dichtl)

Besondere Kuhlinie – ein Glanzlicht

Ein züchterisches Highlight stellt die Linie rund um die REUMUT-Tochter ENZIAN dar: Am Betrieb Dichtl wurde eine fünf Generationen umfassende Kuhlinie aufgebaut, bei der jede Generation eine beeindruckende Lebensleistung von über 100.000 Kilogramm Milch erreicht hat – ein österreichweites Novum. ENZIAN kalbte im Juni 2025 zum 10. Mal und musste den Betrieb leider kurz darauf verletzungsbedingt verlassen. Die Väter dieser eindrucksvollen Fünf-Generationenfolge sind wahre Zuchtikonen: REUMUT, HUPSOL, WEINOLD, ROMEL und MALF. Besonders vielversprechend ist die Perspektive, diese Linie bald um eine sechste Generation zu erweitern, denn die MINT-Tochter ANNIKA weist bereits eine Lebensleistung von über 70.000 Kilogramm Milch auf.

Enzian, Betrieb Dichtl in Osttirol

REUMUT-Tochter ENZIAN – ihre Mutter, ihre Großmutter, ihre Urgroßmutter und ihre Ururgroßmutter erreichten wie sie selbst eine Lebensleistung von mehr als 100.000 Kilogramm Milch.

Aus dieser Linie stammt auch die zweifache Bundessiegerin BELLA (V: Malf), die nicht nur durch ihr herausragendes Exterieur, sondern auch durch ihr markantes Erscheinungsbild mit den breiten Hörnern Bekanntheit erlangte. Aus BELLA gingen zudem zwei weitere Kühe hervor, die ebenfalls die 100.000-Liter-Marke überschritten und damit in den erlesenen Kreis der „Golden Girls“ aufgenommen wurden. Von ihr stammt zudem die ROMEL-Tochter BABSI, aus der ein VAUSTRIA-Sohn in den Besamungseinsatz gebracht wurde.

MALF-Tochter BELLA – bekannteste Vertreterin der Lebensleistungslinie der Familie Dichtl und Gesamtsiegerin der Bundesfleckviehschau 2005 und 2009 (Foto: Keleki)

MALF-Tochter BELLA – bekannteste Vertreterin der Lebensleistungslinie der Familie Dichtl und Gesamtsiegerin der Bundesfleckviehschau 2005 und 2009 

BABSI (V: Romel), eine Tochter von BELLA, anlässlich der Landesschau 2016 in Rotholz als Lebensleistungskuh (Foto: Holzhammer)

Zuchtviehvermarktung und Absatzwege

In den Sommermonaten wird die gesamte Milch zu Butter und Käse verarbeitet, während sie im restlichen Jahr von Tirol Milch – Berglandmilch abgeholt wird. Die Vermarktung des Zuchtviehs erfolgt hauptsächlich über die RGO-Arena in Lienz, wo frisch abgekalbte Jungkühe sowie einige trächtige Kalbinnen zum Verkauf angeboten werden. Zudem zählt die regelmäßige Teilnahme an Stierversteigerungen in Rotholz zu den Absatzwegen. Kälber werden sowohl bei den Zuchtviehmärkten in Rotholz als auch von befreundeten Züchtern angekauft, sorgfältig aufgezogen und selektiert. Der Großteil dieser Tiere wird anschließend als Jungkühe vermarktet.

Zuchtstrategie und genetische Ausrichtung

Im Mittelpunkt steht die Züchtung der für die Region typischen Fleckvieh-Genetik, die alpungstauglich, robust und dem Doppelnutzungstyp entsprechend ist. Dabei werden Anpassungsfähigkeit, Nutzungsdauer und funktionale Merkmale gleichermaßen berücksichtigt. Der Betrieb arbeitet vereinzelt im höheren Ahnenindex-Zuchtwert mit genomischer Typisierung auf männlicher und weiblicher Seite und nutzt diese Zuchtwerte insbesondere auch für die weitere Anpaarungsunterstützung.

„Es ist uns gelungen, viele Kühe mit hoher Nutzungsdauer und Langlebigkeit sowie bestem Fundament und funktionellen Eutern zu züchten“, erklärt Betriebsleiter Leopold Dichtl. „Für uns sind funktionale Merkmale neben der Milchleistung entscheidend, da sie sich unmittelbar auf die Wirtschaftlichkeit eines alpinen Betriebs auswirken.“ Leopold Dichtl steht im ständigen Austausch mit dem Zuchtverband und informiert sich beim Außendienstbesuch vor Ort über das aktuelle Stierangebot. Hornlose Vererber kommen ebenso zum Einsatz. Zur Auswahl der Besamungsstiere wird zusätzlich der Optibull-Vorschlag als „Zweitmeinung“ herangezogen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Der Betriebsleiter ist seit über 20 Jahren Eigenbestandsbesamer und setzte zuletzt Stiere wie HOKUSPOKUS, MABUSO, HEISS, STRADIVARI, SCHOEN, HERZNEUN, MONOPOLY PS, WACHAU PS, MEGASTAR Pp* ein. Der Anteil genomischer Jungvererber wird auf rund 60 Prozent geschätzt.

Fleckviehzucht im alpinen Raum

Den großen Herausforderungen der Zucht und Haltung von Fleckvieh in alpinen Regionen stellt sich der Betrieb Dichtl mit großem Engagement. Steile und oft schwer zugängliche Alm-Weideflächen sowie Hanglagen am Heimbetrieb erschweren das Weide- und Futtermanagement und erhöhen den Aufwand für Tierkontrolle und Gesundheitsüberwachung. Auch die logistischen Herausforderungen auf der Alm sind erheblich: Die Fütterung, die Versorgung mit Wasser sowie die Bewegungsfreiheit der Tiere müssen optimal organisiert sein, um Stress zu minimieren und die Milchleistung konstant zu halten. Die Tiere profitieren von der hochwertigen Futterqualität der Almwiesen, deren artenreiche Vegetation sich positiv auf Gesundheit und Milchqualität auswirkt.

Erfolgreiche Schaupräsenz

Der Betrieb Dichtl zählt im regionalen und überregionalen Schauwesen zweifellos zu den erfolgreichsten Zuchtbetrieben im Verband der Rinderzucht Tirol. Ein besonders bedeutendes Highlight im züchterischen Kalender waren die Bundesfleckviehschauen 2005 und 2009. In der Kategorie Dauerleistungskühe sicherte sich der Betrieb mit seinem Aushängeschild „BELLA“ gleich zweimal hintereinander den Bundessieg. Betriebsleiter Leopold Dichtl beschreibt diesen Erfolg als „das schönste und emotionalste Erlebnis unserer gesamten Zuchtarbeit“.

Blick in die Zukunft

Das Ziel ist klar: Der Betrieb soll, mit tatkräftiger Unterstützung aller Familienmitglieder, weiterhin im Vollerwerb geführt werden. Bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Wegeinfrastruktur auf der Alm sollen bis Ende 2026 abgeschlossen sein. Auch in Zukunft sollen gesunde, vitale, alpungstaugliche Fleckvieh-Kühe gezüchtet werden, die durch ihre Langlebigkeit und bestes Exterieur überzeugen. Der Betrieb Leopold Dichtl in Virgen ist ein herausragendes Beispiel für erfolgreiche Fleckviehzucht im alpinen Raum. Fundament dieser Erfolgsgeschichte sind fundierte Genetik, funktionale Tiergesundheit, Nutzungsdauer sowie eine familiär geprägte Betriebsführung. Mit dem gezielten Management der Almweideflächen und Futterressourcen am Heimbetrieb leistet der Betrieb zudem einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der alpinen Kulturlandschaft.

Betriebsdaten

Agnes und Leopold Dichtl, vulgo Krienhuber, Niedermauern-Gries 12, 9972 Virgen

Seehöhe: 1.200 m über dem Meeresspiegel

Niederschlag: Ø 900 mm

Familienmitglieder: Leopold und Agnes (Betriebsleiterehepaar) mit den Kindern Anna-Maria, Magdalena, Georg, Simon und Leonie

Betriebsgröße: 28 ha Grünlandfläche (davon 3 ha Hutweide und 8,6 ha Pachtfläche), 10 ha Wald, 2 Almen im Eigenbesitz (34 ha und 18 ha Almfutterfläche)

Rinderbestand: 16 Milchkühe und 58 Nachzuchttiere

Herdenkennzahlen:
5 Kühe über 50.000 kg Lebensleistung
Ø Zellzahl 148.000
Ø Erstkalbealter 33,9 Monate
Ø Zwischenkalbezeit 386 Tage
Ø Lebensleistung 41.031 kg Milch
Ø 132 GZW der Kalbväter

Autor: Hannes Leitner, Zuchtprogramm Rinderzucht Tirol eGen