Experten: Kühe sind weder Klimakiller noch Nahrungskonkurrenten

Nutztiere verwerten nicht essbare Biomasse und liefern hochwertige Lebensmittel

„Die Rolle von Grünland und Wiederkäuern für die Zukunft der Welternährung ist unverzichtbar. Kühe sind keine Klimakiller und auch keine Nahrungskonkurrenz.“ Dies stellte Wilhelm Windisch, Ordinarius für Tierernährung an der TU München, im Rahmen der Online-Veranstaltungsserie „Die Kammer kommt in die Region“ der Landwirtschafskammer (LK) Vorarlberg fest. Windisch räumte in seinem Vortrag mit den gängigsten Irrtümern auf, die zu diesem Thema kursieren. „Ernährung geht uns alle an, und gesunde, nachhaltig erzeugte Lebensmittel sind ein Beitrag zu Selbstversorgung und Klimaschutz“, stellte LK-Präsident Josef Moosbrugger fest.

Mehr Menschen – weniger Boden

„Aktuelle Entwicklungen lassen vermuten, dass sich die Weltbevölkerung bis 2050 beinahe verdoppelt. Die rasante Entwicklung im Bodenverbrauch verschärft das Zukunftsszenario zusätzlich. Neben der Klimakrise ist die Verknappung des Bodens eine der größten Bedrohungen der Menschheit“, warnte Windisch.
Ackerfähig sei nur ein kleiner Teil der Flächen, und 80 Prozent der landwirtschaftlichen Biomasse seien vom Menschen nicht direkt essbar. „Wiederkäuer können allerdings diese Biomasse fressen und in hochwertige Lebensmittel für den Menschen verwandeln. Der Rest geht zurück in den Kreislauf, als hochwertiger Wirtschaftsdünger, der punktgenau zum Pflanzenwachstum eingesetzt werden kann. Darum brauchen wir die Wiederkäuer für die Lebensmittelproduktion“, unterstrich der Experte. Es mache also keinen Sinn, die Nutztiere abzuschaffen.

Mythos: Die Klimakiller-Kuh und das Methan

„Gemeinhin wird verbreitet, dass die Kuh durch ihren Methanausstoß die Erdatmosphäre anheizt und damit schädlich für das Klima sei. Die Methanbildung ist für die mikrobiellen Umsetzungen im Pansen unverzichtbar. Sie schützt vor Störungen der Fermentation. Dabei ist das Methan aber sehr kurzlebig, die „Klimaschuld“ ist nach zehn bis 20 Jahren weitgehend getilgt – ganz im Gegensatz zum langlebigen CO2, das seit der Industrialisierung kumuliert. Werden der Kreislauf und die Speicherfähigkeit der landwirtschaftlichen Böden in der Klimarechnung ebenfalls mitberücksichtigt, dann zeigt sich ein neues Bild. Umweltwirkungen durch die Nutztierhaltung entstehen erst beim gezielten Anbau von zusätzlichem Futter oder durch die Umwidmung von essbaren Pflanzenkulturen zu Tierfutter“, so Windisch.

Kunstfleisch ist keine Alternativen zur Nutztierhaltung

Mit Vorsicht sei auch die aktuell diskutierte Entwicklung von Kunstfleisch zu betrachten. Hier gebe es zwar keine Konflikte mit dem Tierwohl und keine Verluste am Schlachthof, aber, so Windisch, für die Erzeugung von Kunstfleisch sei höchstwertiges „Futter“ (Glucose, Aminosäuren usw.) erforderlich. Es sei damit auch ein Nahrungskonkurrent zum Menschen.

Das Resümee von Windisch: „Eine einseitig vegane Landwirtschaft ist weder nachhaltig noch klimaschonend, eine einseitig intensive Tierhaltung ist es auch nicht.“ Erst in der richtigen Kombination könne die Landwirtschaft ihre Umwelt- und Klimawirkung entfalten. In einer Kreislaufwirtschaft auf Basis der unvermeidlich anfallenden, nicht essbaren Biomasse seien Wiederkäuer die wichtigsten Nutztiere. „Bei Verzicht auf sehr hohe Leistungen erzeugen sie höchstwertige Lebensmittel ohne Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Dies wiegt die ohnehin geringe ‚Methanbürde‘ der Milch bei Weitem auf“, unterstrich der Experte.

Erzeugung regionaler Lebensmittel als Auftrag

„Österreichs Landwirtschaft erzeugt Lebensmittel auf sehr hohem Niveau, und wir sind in der glücklichen Lage, die Versorgung der Bevölkerung damit zu gewährleisten. Dazu tragen im Getreidebereich insbesondere die Gunstlagen in Ostösterreich und im Milch- und Fleischbereich unsere Grünland- und Berggebiete bei. Unsere Landwirtschaft ist auch beim Klima besser als ihr Ruf, wie Professor Windisch eindrucksvoll aufgezeigt hat. Unser Grünland weist eine hohe CO2-Speicherqualität auf. Wir dürfen also getrost stolz auf unsere Leistungen sein – auch wenn es darum geht, eine klare Herkunftskennzeichnung zu fordern oder mit dem Lebensmittelhandel auf Augenhöhe zu sprechen. Wir sind auch dort ein Teil der Lösung“, betonte Moosbrugger.

Quelle: aiz.info