Ökologische Rinderzucht – eine Mitgestalterin moderner Zuchtprogramme?

Workshop ermöglicht intensive Diskussionen zwischen Vertretern der ökologischen und konventionellen Rinderzucht

Zu einem Workshop zum Thema „Ökologische Rinderzucht – eine Mitgestalterin moderner Zuchtprogramme?“ hatte die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) im Forum in Grub eingeladen. Insgesamt mehr als 80 Teilnehmer folgten der Einladung.
Im Publikum vertreten waren die Ministerien, Organisationen, Besamungsstationen, Zuchtverbände sowie Berater und Praktiker aus der konventionellen und der ökologischen Rinderzucht aus Deutschland und Österreich.
Der Workshop, der von Vanessa Hoffmann von der LVÖ Bayern und von Dr. Carsten Scheper von der ÖTZ, moderiert wurde, sollte ein Auftakt für einen Dialog zwischen Ökorinderzucht und konventionellen Zuchtorganisationen sein, dem ein intensiver Meinungsaustausch und eine intensive Zusammenarbeit folgen sollen.

Grundsätzlich gleiches Zuchtziel

Zu Beginn der Veranstaltung führte Dr. Christian Fürst von der Zuchtdata in Wien mit einem Grundlagenvortrag in die Thematik ein.

Dr. Fürst betonte, dass sowohl die konventionellen als auch die ökologischen Milchviehbetriebe grundsätzlich das gleiche Zuchtziel „eine gesunde, problemlose Kuh, die möglichst lange viel Milch gibt“, verfolgen.

Dialogworkshop_Grub_24.10.2023 - Referent Dr. Christian Fürst

Referent Dr. Christian Fürst, ZuchtData Wien

Grundlage für die Zucht ist die Leistungsprüfung, das heißt die Erfassung der für die Zuchtwertschätzung notwendigen Daten. Diese erfolgt auf allen, auch auf biologisch wirtschaftenden Betrieben. Insbesondere bei Fitness- und Gesundheitsmerkmalen ist eine große Datenmenge für erfolgreiche züchterische Arbeit erforderlich. Umso erstaunlicher sei es, dass nur wenige Biobetriebe an der Erfassung von Gesundheitsdaten teilnehmen. Es werden zwar nur wenige Stiere aus BIO-Betrieben angekauft, die Besamungsstiere werden aber auch auf Bio-Betrieben eingesetzt und geprüft.

Dr. Fürst beendete seinen Vortrag mit einem klaren Ja zu einem fitnessbetonten und in Zukunft sogar noch stärker fitnessbetonten Zuchtziel und mit einem klaren Nein zu einem eigenen ökologischen Zuchtprogramm. Er wünsche sich vor allem eine gemeinsame Zuchtarbeit auf Basis wissenschaftlicher Fakten.

Überblick über die ökologische Milchviehwirtschaft

Anschließend wurde ein Überblick über die ökologische Milchviehwirtschaft von Vertretern der Öko-Erzeugerringe für Österreich von Sebastian Herzog (BioAustria), für Bayern von Hubert Weigand (Naturland/LVÖ) und für Baden-Württemberg von Martin Haugstätter (Demeter/AÖL) gegeben und auf aktuell und zukünftig wichtige Themen in der ökologischen Milchviehzucht hingewiesen. Es brauche geeignete Genetik für die Weide, für eine „kraftfutterreduzierte Fütterung“. Weitere aktuell diskutierte Themen seien die Erhaltung von genetisch horntragenden Rindern und der Einsatz von Biotechnologien.

5 ökologische Betriebe – 5 Betriebs- und Zuchtstrategien

Zu Beginn einer lebhaft geführten Podiumsdiskussion stellten fünf Praxisbetriebe aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Österreich ihren Betrieb und ihre Zuchtstrategien vor. Beindruckend und überraschend waren vor allem die sehr unterschiedlichen Betriebsstrategien und Produktionsverfahren.

Gemeinsam war allen Betrieben, dass die Milchleistung bei der Bullenauswahl keine große Rolle spielt. Züchterisch stehen bei den Betrieben Weidetauglichkeit, Anpassungsfähigkeit sowie hohe Grundfutter- und Lebensleistung im Vordergrund. Entsprechend wurden als Zuchtziele neben dem Ökologischen Zuchtwert (ÖZW), Persistenz und Leistungssteigerung, Fruchtbarkeit und Kalbeverhalten, kleiner bis mittlerer Rahmen sowie Fundament und Euter genannt. Während einige Betriebe konsequent auf Hornloszucht setzen, berichtete ein Demeter-Betriebsleiter, dass er auf Hörner rückzüchtet.

Ökologische Rinderzucht aus Sicht der Besamungsstationen und Zuchtverbände

Die ökologische Rinderzucht aus Sicht der Besamungsstationen und Zuchtverbände in Süddeutschland erörterte Dr. Hans Ertl, Geschäftsführer der ASR. Er zeigte anhand der MLP-Ergebnisse auf, dass die Anforderungen der ökologischen und konventionellen Milcherzeuger nicht weit auseinander liegen und dass es im breiten Besamungsangebot der Stationen zahlreiche für extensive Betriebe geeignete Bullen gibt.

Zum Abschluss seines Vortrags stellte Dr. Ertl fest, dass sich bereits heute Öko-Rinderzüchter in den Gremien der Zuchtverbände und Besamungsstationen engagieren und ermutigte weitere Betriebe zu einem Engagement.

In Analogie zu Dr. Ertl stellte Reinhard Pfleger, Geschäftsführer von Fleckvieh Austria, die Ökologische Rinderzucht aus Sicht der Besamungsstationen und Zuchtverbände in Österreich, vor. Er stellte die große Bedeutung der Biobetriebe in Österreich heraus, die fast ein Viertel aller Betriebe ausmachen. Bei der in Österreich angelieferten Milch stammen 26 Prozent der Lieferanten und 19 Prozent der angelieferten Milchmenge von Biobetrieben.

Anschließend stellt Reinhard Pfleger die Ergebnisse einer Umfrage bei 11 Mitgliedsverbänden von Fleckvieh Austria und 2 Besamungsorganisationen in Österreich vorgestellt. Bei Fleckvieh Austria gebe es ein klares Bekenntnis zum Ökologischen Zuchtwert (ÖZW) mit eigenen Toplisten nach jeder Zuchtwertschätzung (ZWS) und es werden spezielle Angebote in der Vermarktung für Bio-Betriebe angeboten. Er bat ökologischen Betriebe, betriebsindividuelle Beratung und Anpaarungsplanung mit dem ÖZW als Mittel der Wahl zu nutzen.

Wie Dr. Ertl sieht auch Pfleger keinen Unterschied in den Zielsetzungen zwischen Konventionell und Bio. Es gebe keine Notwendigkeit für ein eigenes Zuchtprogramm.

Dialogworkshop in Grub am 24.10.2023 - Referent Ing. Reinhard Pfleger

Referent Ing. Reinhard Pfleger, Fleckvieh Austria


Den Abschluss des Workshops bildete eine Gruppenarbeit von Besamungsstationen, Zuchtverbänden und Ökoverbänden zu zukünftigen gemeinsamen Gestaltungsmöglichkeiten.

Mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze

Insgesamt gab es für den Workshop ein sehr positives Echo. Ein Fazit war, dass es zwischen ökologischer und konventioneller Rinderzucht mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze gibt. Durch die Entwicklung neuer Zuchtwerte für Fitness und Gesundheit werden sich die Zuchtziele zukünftig weiter annähern. In Problembereichen sollten Lösungsansätze auf direktem Weg, das heißt in Gesprächen zwischen den ökologischen Betrieben und den Zuchtorganisationen, gesucht werden. In Zeiten, in denen die Milchviehhaltung in vielen Bereichen zu Unrecht an den Pranger gestellt wird, müssen die Ziele einer nachhaltigen Rinderzucht gemeinsam vertreten werden.

Autor: Dr. Dieter Krogmeier, Institut für Tierzucht, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Fotos: ÖTZ

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