Tierwohl

Was heißt das für Berggebiete?

Seit einigen Jahren ist Tierwohl ein großes gesellschaftliches Thema. Damit wurde ein Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel entfacht mit immer höheren Anforderungen für die Produzenten.

In Deutschland ist diese Diskussion mittlerweile schon sehr weit fortgeschritten. Besonders die Thematik der Haltungsform wird dabei als großer Verkaufsschlager angepriesen.

Fleckvieh auf Tiroler Alm

Ein Ende der Kombinationshaltung würde für die Bewirtschaftung des Berggebietes mit den Almen große Veränderungen mit sich bringen

Aufgrund der großen Marktabhängigkeit Österreichs – jeder 4. Liter Milch (= 25 Prozent) wird auf dem deutschen Markt abgesetzt – hat diese Entwicklung auch für Österreich Auswirkungen. Sie bringt damit eine große Dynamik für die im Berggebiet vorherrschende Kombinationshaltung.

Für die Bauernfamilien bedeutet dies eine immer größer werdende Herausforderung in der Einschätzung möglicher Zukunftsperspektiven für ihre Betriebe. Für viele Bäuerinnen und Bauern ist der Wunsch nach dem besten Tierwohl selbstverständlich. Sie sind auch total überzeugt davon, dass sie ihre Tiere sehr gut mit Achtung und Respekt behandeln.

Kombinationshaltung – Rückgrat des Berggebietes

2019 führte Sandro Gstrein in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer und Rinderzucht Tirol im Rahmen seiner Masterarbeit die über die Grenzen vielbeachtete „Tierwohlstudie“ über die Perspektiven der Kuhhaltung im Berggebiet in Tirol unter den Aspekten Tierwohl und Haltungsform durch. Die Masterarbeit wurde von seinen wissenschaftlichen Betreuerinnen Prof. Dr. Dr. Eva Zeiler und Paula Heine MSc begleitet. Für die Projektbetreuung vor Ort war Christian Moser zuständig.

Sandro Gstrein (Mitte) mit seiner vielbeachteten Diplomarbeit und Prof. DDr. Eva Zeiler und Projektbetreuer Christian Moser

Sandro Gstrein (Mitte) mit seiner vielbeachteten Diplomarbeit und Prof. DDr. Eva Zeiler und Projektbetreuer Christian Moser

Fast 1.800 Bauern nahmen an dieser Studie teil. Dabei kam klar zum Vorschein, dass ein Ende der Kombinationshaltung großen Einfluss auf die Perspektiven der Kuhhaltung in Tirol hätte. 85 Prozent gaben demnach zur Antwort, die Kuhhaltung bzw. den Betrieb dann aufzulassen. Dies hieße, dass in 15 Jahren nur mehr ein Drittel aller Betriebe übrigbleiben. Die Kombinationshaltung ist das Rückgrat des Berggebietes mit der Bewirtschaftung der Almen. So stammen 70 Prozent der gealpten Kühe aus der Kombinationshaltung. Diese Zahlen zeigen die Unverzichtbarkeit der Kombinationshaltung für das Berggebiet mit den Almen.

75 Prozent der Betriebe mit Kombinationshaltung

Laut Studie halten drei von vier Betriebe ihre Kühe in der Kombinationshaltung, rund 25 Prozent ihrer Kühe im Laufstall. Eine Verschiebung ergibt sich bei den gehaltenen Kühen mit 60 bzw. 40 Prozent. Durchschnittlich halten die Laufstallbetriebe doppelt so viele Kühe wie Betriebe mit Kombinationshaltung. Für die Bauern und Bäuerinnen beider Haltungsformen ist die Mensch-Tier-Beziehung das wichtigste Tierwohl-Kriterium. In der Kombinationshaltung ist neben der Mensch-Tier-Beziehung (12,8 Prozent) auch die Alpung (13,4 Prozent) von großer Wichtigkeit. Im Laufstall gab es keine klare Gewichtung der Aspekte. Hier stehen ohne große Differenz die Mensch-Tierbeziehung (10,7 Prozent), Stallklima (9,6 Prozent), Tiergesundheit (8,7 Prozent), ausreichend Platz (8,4 Prozent), Wasserversorgung (8,0 Prozent) und Alpung (7,8 Prozent) im Vordergrund.

Hohe Akzeptanz und Zufriedenheit

Die grundsätzliche Akzeptanz der Bevölkerung wurde in sehr hohem Maße von den Bauern als sehr gut bis gut eingestuft. Gleich verhält es sich mit der Zufriedenheit der Bauern über das eigene Haltesystem, welches ebenfalls mit großer Mehrheit sehr gut bis gut beurteilt wurde. Fast alle Laufstallbetriebe (98 Prozent) sind mit ihrem Haltesystem sehr zufrieden bis zufrieden. In der Kombinationshaltung sind dies 85 Prozent der Betriebe. Ein interessantes Ergebnis der Studie war auch, dass Bauern bei einer Umstellung von der Kombinationshaltung auf Laufstall größere Akzeptanzprobleme befürchten. Jene, die derzeit schon einen Laufstall haben, sehen jedoch keine Akzeptanzprobleme.

Zukunftsperspektive Kombinationshaltung

Eine für alle Beteiligten wichtige Frage war die Zukunftsperspektive der Kombinationshaltung. Aus damaliger Sicht würden in 15 Jahren noch 90 Prozent der Betriebe bestehen. Würde die Kombinationshaltung verboten bzw. in 15 Jahren nicht mehr möglich sein, so werden laut Studie fast 85 Prozent der Betriebe mit Kombinationshaltung die Kuhhaltung bzw. den Betrieb aufgeben. Unter Berücksichtigung des Studienergebnisses, dass 70 Prozent der gealpten Kühe aus der Kombinationshaltung stammen, würde dies für die Almbewirtschaftung sehr große Veränderungen mit sich bringen. Allein diese Zahlen zeigen, dass die Kombinationshaltung für das Berggebiet mit den Almen unverzichtbar ist. Bei der Frage der Weiterführung der Betriebe konnte bei der Kuhzahl kein Unterschied festgestellt werden. Betriebe mit bäuerlicher Vermietung betreiben ihren Betrieb eher weiter.

Gründe für die Kombinationshaltung

Diese Frage wurde von den Bauern mit folgenden Hauptgründen beantwortet: finanzielle Aspekte (24 Prozent), Betriebsgröße (23,5 Prozent) und Mensch-Tier-Beziehung (21,4 Prozent). Die Mensch-Tier-Beziehung (27,5 Prozent) ist aus Sicht der Bauern auch der größte Vorteil der Kombinationshaltung. Weitere Vorteile sind der abbezahlte Stall (17,9 Prozent) und die bessere Tierbeobachtung (17,4 Prozent). Für knapp 90 Prozent der Betriebe würde ein Um- bzw. Neubau des Stalls die finanziellen Möglichkeiten übersteigen.

So braucht es für die Betriebe in der Kombinationshaltung eine Zukunftsgarantie verbunden mit einem fairen und nachhaltigen Preis für ihre Produkte. Damit brauchen wir auch einen anderen Zugang zur Tierwohldiskussion, um die gewohnte Bewirtschaftung unseres Berggebietes mit den Almen weiter zu ermöglichen. Tierwohl kann nicht nur auf die Halteform reduziert werden. Hier spielen auch andere Faktoren wie Mensch-Tier-Beziehung, Betriebsgröße, Versorgung, Pflege, Tierbeobachtung, Weide, Alpung … eine wichtige Rolle.

Autor: Christian Moser, Rinderzucht Tirol

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