ZAR-Seminar 2021

Erstmals Online und mit Teilnehmerrekord

Coronabedingt fand das traditionelle ZAR-Seminar heuer anstatt in Salzburg diesmal als Webinar statt. Diese Premiere brachte gleich einen Rekord mit 237 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland, Schweiz, Italien und Österreich. Im Mittelpunkt stand das für die Rinderzucht so wichtige Thema „Strategien zur Stoffwechsel stabilen Milchkuh – frühzeitig erkennen und nachhaltig verbessern.“

Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland stellten dabei unter der Moderation von ZAR-Geschäftsführer Martin Stegfellner die neuesten Erkenntnisse zu Stoffwechselerkrankungen aus den Projekten der RINDERZUCHT AUSTRIA vor. Oberstes Ziel dabei ist die aus den Forschungstätigkeiten von D4Dairy, FoKUHs, Klauen-Q-Wohl neuesten Erkenntnisse möglichst schnell in der Praxis auf den Betrieben vorzustellen und neue Tools für das Herdenmanagement anzubieten.

Ursachen und Erkennung von Stoffwechselstörungen

Die Abendsession des ersten Tages startete gleich mit komprimierten Inputs von Prof. Thomas Wittek von der Veterinärmedizinischen Universität zur Ketose, der häufigsten Stoffwechselkrankheit. Dabei werden die Zeitpunkte des Auftretens, die verschiedenen Formen, die Bedeutung der Futteraufnahme sowie der prophylaktische Umgang damit beleuchtet. Wie sehr die Klauengesundheit mit dem Stoffwechsel verbunden ist, zeigte die professionelle Klauenpflegerin Katharina Hoffelner aus der Steiermark. Die Klauen, vergleichbar mit den menschlichen Fingern, können als Abbild des Stoffwechsels gesehen werden, für die Bildung von gesundem Klauenhorn ist eine bedarfsgerechte Fütterung Grundvoraussetzung.

Franz Steininger, ZuchtData, stellte in diesem Zusammenhang via Live-Demo die neue Handy-Klauen-App als Ergebnis des Klauen-Q-Wohl-Projektes der Rinderzucht Austria vor. Dieser Fahrtenschreiber der Klauengesundheit steht seit einem Jahr allen LKV-Mitgliedsbetrieben gratis im LKV-Herdenmanager zur Verfügung und wird laufend den Bedürfnissen der Benutzerinnen und Benutzer angepasst.

Im Anschluss daran präsentierten Monica Dale und Andreas Werner vom LKV Baden-Württemberg das von ihnen mit Hilfe von standardisierten Spektren und Ketose-Diagnose entwickelte Ketose-Gefährdungsmodell KetoMIR, das seit 2017 im RDV-Herdenmanager integriert ist. Was alles mit Sensoren, meist am oder im Tier mittels Boli, gemessen werden kann, brachte Lena Lemmens von der Veterinärmedizinischen Universität näher. Die Sensoren nehmen immer mehr Einzug in die Ställe und die Daten daraus können früherkennend für Stoffwechselerkrankungen genutzt werden. Im Sensorbereich liegt viel Potential für die Zukunft, die Technik ist allerdings laut Lemmens nur so gut wie ihr Anwender.

Big-Data-Analysen zur Identifikation von Risikofaktoren

Was Digitalisierung zur Früherkennung und zur Prävention von Tierkrankheiten beitragen kann, erläuterte der bekannte Komplexitätsforscher Peter Klimek anhand des Forschungsprojektes D4Dairy. Mit der Erstellung von Risikoprofilen können Zusammenhänge aufgestellt und Erkrankungen vorhergesagt werden. Das Sammeln, Vernetzen und Analysieren der umfassenden Daten stellt große Herausforderungen dar; als Ziel sollen Prototypen zur Anwendung in der Praxis entwickelt werden.

Welche Zusammenhänge Stoffwechselstörungen mit Milchleistung, Fruchtbarkeit und anderen Krankheiten haben und wie LKV-Daten zur Erkennung und Vorbeugung von Ketose genutzt werden können, erläuterten Astrid Köck von der ZuchtData und Karl Wurm, Fütterungsberater der Landwirtschaftskammer Steiermark. Andreas Steinwidder als Experte für weidebasierte Fütterung von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein skizzierte eine optimale Weidekuh, die sich als fleißige Graserin nicht zu groß und zu schwer und mit guter Milchleistung und Persistenz auszeichnet.

Der international anerkannte Ökonom Hans-Jürgen Kunz von der Universität Kiel machte in seinem Vortrag auf die notwendige Energie- und Nährstoffversorgung der Kälber aufmerksam und betont die Wichtigkeit der bedarfsdeckenden Versorgung.

Beitrag der Zucht zum Stoffwechsel

Birgit Fürst-Waltl vom Institut für Nutztierhaltung von der Universität für Bodenkultur betrachtete in ihrem Beitrag nicht nur die direkten Merkmale der Stoffwechselstabilität, wie Milchfieber, Ketose, Labmagenverlagerung, in der Zucht, sondern auch die indirekten Hilfsmerkmale, wie Fett-Eiweiß- Quotient, Blut- und Milchschnelltests sowie die Sensorinformationen. In der gemeinsamen Zuchtwertschätzung Österreich, Deutschland und Tschechien wird das Thema Stoffwechsel durch das Merkmal Milchfieber abgedeckt, die genomische Zuchtwertschätzung für Gesundheitsmerkmale Single-Step steht kurz vor der Einführung.

Im Anschluss an die Vorträge gab es bei beiden Tagen jeweils eine intensive Diskussion mit den Referentinnen und Referenten bezogen auf die Fragen aus dem Chat.

Dr. Roswitha Eder, ZAR

Beantwortung von Fragen:

Antwort Prof. Wittek: Die Ketose hat per se keine Auswirkungen auf die Körpertemperatur, da aber ketotische Tiere infektionsanfälliger werden, ist es möglich, dass durch Infektionskrankheiten die Körpertemperatur steigt.

Antwort Prof. Wittek: Es ist notwendig, um eine insulinvermittelte Wirkung zu erreichen, dass das Propylenglycol in einem Volumen von 300 besser 500 ml der Kuh direkt eingegeben wird. Wird die selbe Menge über einen längeren Zeitraum langsam aufgenommen (z.B. Topdressing oder Einmischung) bleibt die Insulinausschüttung aus, es ist dann lediglich eine Energiezufuhr, die lediglich dem Energiegehalt von 1,5 l Milch entspricht.

Antwort Prof. Kunz: In den allermeisten Fällen wird bei der Ad-libitum-Tränke die Milch 2x pro Tag den Kälbern direkt nach dem Melken in Nuckeleimern mit Deckel und mit leichtgängigen Nuckeln, ohne die Milch noch einmal zu erwärmen, vorgehängt. Die Milch hat dann etwa eine Temperatur von 25 bis 30 °C. Die Milch 3x pro Tag neu anzubieten, kann im Winter bei niedrigen Stalltemperaturen sinnvoll sein, wenn sich die Milch im Eimer ansonsten sehr schnell abkühlt. Durch die Ansäuerung der Milch auf einen pH-Wert von 5,5 wird eine Keimvermehrung in der Milch verhindert. Sie ist nicht zwingend erforderlich, wenn der Tränkeeimer vor jedem Neubefüllen ausgespült und der Nuckel mit Wasser durchgemolken wird. Bleibt vor dem Neubefüllen eventuell eine Restmenge Milch im Eimer, sollte auf jeden Fall angesäuert werden, da die Keime ansonsten 24 Stunden für die Vermehrung Zeit haben. Das ist zu lange. In jedem Fall sollten die Eimer einmal am Tag mit Wasser ausgespült werden. Die Joghurttränke ist ähnlich zu sehen wie angesäuerte Milch, d.h., es ist eine gute Sache, wenn sie richtig hergestellt wird.

Antwort Prof. Kunz: Die Übertragung von S. aureus Genotyp B über die Milch, die an Kälber vertränkt wurde und bei diesen Tieren möglicherweise nach der ersten Kalbung zu einer S. aureus-Infektion führen soll, wurde von Abb-Schwedler et al. (2014) untersucht. Ein solcher Infektionsweg konnte nicht nachgewiesen werden.

Antwort Prof. Kunz: Kälber, die nach der Geburt nicht selbstständig trinken, sind in jedem Fall zu drenchen. Die erste Biestmilch sollte auch in diesem Fall möglichst schnell nach der Geburt in einer Menge von 3 bis 4 Litern, in Abhängigkeit von der Größe des Kalbes, gedrencht werden. Falls das Kalb auch anschließend die Milchaufnahme verweigert, sollten dann möglichst vier Mahlzeiten mit jeweils 2 Litern gedrencht werden.

Antwort Prof. Kunz: Ja, das sollte man in jedem Fall tun. Die Biestmilch der eigenen Mutter ist zudem in den allermeisten Fällen die beste Wahl für das Kalb, auch dann, wenn der Gehalt an Immunglobulinen nicht optimal ist.

​​​​​​​Antwort Prof. Kunz: „Der Erfolg heiligt die Mittel“. Handelt es sich bei den Elektrolyttränken um komplexe Diättränken (u.a. auch mit organischen Puffern), kann die Elektrolyttänke parallel zu Milch in einem zweiten Eimer angeboten werden. Der Kälberdurchfall am 6. bis 9. Lebenstag deutet auf Kryptosporidien hin. Wenn möglich, sollte darauf untersucht werden und zusätzlich sollten die Hygienemaßnahmen darauf abgestimmt werden (ev. Koteintrag über Stiefel; haben Kälber kein Heu; fressen sie Stroh aus der Einstreu; Desinfektion, …).

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