Hitzestress

… ein unterschätzter Faktor in unseren Milchviehherden

Dieser Artikel soll die weitreichenden Folgen von Hitzestress aufzeigen und unterstreichen. Da bereits im Mai die ersten Symptome von Hitzestress auftreten, sollte man sich bereits jetzt die Frage stellen, ob die Ventilation im eigenen Stall ausreichend ist.

Eine von Hitzestress betroffene Kuh

Hitzestress erkennen und verstehen

Um ein besseres Verständnis für diese Thematik zu bekommen, müssen wir uns zuerst in die Ausgangslage der Wiederkäuer versetzen. Kühe sind grundsätzlich um ein Vielfaches temperaturempfindlicher als Menschen. Die Ursache liegt darin, dass im Zuge des Fermentationsprozesses extrem viel Wärme entsteht. Steigt die Außentemperatur zusätzlich an, kann dies zu einer „Überhitzung“ führen. Die erste Maßnahme, die das Tier zeigt, ist eine verminderte Futteraufnahme. Dadurch entsteht im Pansen weniger Fermentationswärme und das Tier kühlt etwas ab. Jedoch gehen mit der reduzierten Futteraufnahme fallende Milchfettgehalte sowie Milchleistungen einher. Weiters erhöht sich das Risiko für Stoffwechselstörungen, Klauenerkrankungen sowie Fruchtbarkeitsprobleme drastisch!

Zusätzlich zur reduzierten Futteraufnahme stehen die Tiere bei Hitzestress deutlich mehr. Der Grund hierfür liegt an der Tatsache, dass eine Kuh im Stehen tendenziell besser abkühlt als im Liegen. Die Folgen von reduzierten Liegezeiten sind wiederum eine verminderte Futteraufnahme sowie Klauenprobleme aufgrund der erhöhten Belastung. Eine weitere typische Symptomatik ist das „Hecheln“ beziehungsweise „Pumpen“ der Tiere im Stehen und im Liegen.

THI im Auge behalten

Die Wohlfühltemperatur bei Kühen liegt zwischen 0 und 16 Grad Celsius. Ab wie viel Grad Celsius Hitzestress beginnt, kann nicht pauschal beantwortet werden, da die Luftfeuchtigkeit und die individuelle Milchleistung einen entscheidenden Unterschied spielen. Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, desto früher tritt der Hitzestress bei den Kühen ein. Der THI (Temperature-Humidity-Index) ist eine Indexzahl, welche die Faktoren Temperatur und Luftfeuchtigkeit miteinbezieht. Hier wird verdeutlicht, dass sich die Hitzestressbelastung mit zunehmender Luftfeuchtigkeit drastisch erhöht. Nachdem sich die Luftfeuchtigkeit binnen eines Tages stark ändern kann, sollten für die Ventilatoren Regelanlagen montiert werden, welche basierend auf dem aktuellen THI die benötigte Luftgeschwindigkeit steuern.

Wie bereits angemerkt, spielt neben dem THI auch die selbsterzeugte Fermentationswärme eine wichtige Rolle. Eine Kuh mit 45 Litern Milch ist aufgrund der hohen metabolischen Stoffwechselbelastung deutlich hitzeempfindlicher als ein Tier mit 20 kg Milch.

Demnach ergeben sich für die Praxis folgende Rückschlüsse:
1. Hitzestress beginnt bei Kühen viel früher, als man es persönlich einschätzen würde!
2. Der Faktor Luftfeuchtigkeit muss unbedingt miteinbezogen werden.
3. Die Ansprüche an ein Kühlsystem im Stall haben sich aufgrund der tendenziell länger anhaltenden Hitzeperioden und vor allem der gesteigerten Herdenleistungen verschärft.

Auswahl des „richtigen“ Kühlsystems

Zum Thema „richtige“ Kühlung findet man so viele Meinungen wie Sand am Meer. Dies ist einerseits den doch sehr diversen Ansätzen zum Thema Kühlung geschuldet, gleichzeitig versucht natürlich jede Firma sich selbst ins Rampenlicht zu stellen.
Die Tatsache, dass es zum Thema Ventilation so viele verschiedene Meinungen gibt, führt in meinen Augen mitunter dazu, dass sich manche Betriebsführer verunsichert fühlen und daher gar nicht erst den Schritt wagen, weitere Ventilatoren zu installieren. Diese „Angst“, etwas falsch zu machen, kann einem genommen werden, wenn man ein paar wichtige Eckdaten beachtet.

Die Funktion eines Ventilators liegt in der Belüftung des Stalles und der Kühlung der Tiere. Der Anspruch an die Belüftung muss unbedingt separat von der Kühlung gesehen werden. Speziell in Altgebäuden oder auch Neubauten mit einer geringen Luftzirkulation ist die ständige Frischluftzufuhr ein wertvolles Gut, um die Tiergesundheit zu fördern. Demnach macht es durchaus Sinn, Ventilatoren bereits ab 5 Grad Celsius bei mäßiger Drehzahl laufen zu lassen.

Eine Kühlung der Tiere ist wie bereits erwähnt ab einem THI von 68 notwendig. Damit die Kühe auch wirklich abkühlen, bedarf es einer Luftgeschwindigkeit von mindestens zwei Metern pro Sekunde. Nur dann ist eine vernünftige Kühlung gewährleistet. In vielen Fällen wird dieser Wert kaum beziehungsweise gar nicht erreicht! Für uns Menschen erscheint diese hohe Luftgeschwindigkeit sogar als unangenehm. Doch wie bereits in der Einleitung angesprochen, haben die Tiere ein ganz anderes Temperaturempfinden.

(Auszug aus dem Artikel „Hitzestress – ein unterschätzter Faktor in unseren Milchviehherden“ von Ing. Jonas Schiffer, unabhängiger Fütterungsberater; Tel. 0664 34 13 068 | www.isuba.at; Fleckvieh Austria Magazin 2/24)