Neu: Zuchtwerte für Klauengesundheit

In der gemeinsamen Zuchtwertschätzung (ZWS) Deutschland-Österreich-Tschechien gibt es bereits seit vielen Jahren eine sehr große Palette an Merkmalen aus dem Bereich Fitness und Gesundheit, die züchterisch erfolgreich bearbeitet werden. Ohne Zweifel handelt es sich bei der Klauengesundheit hinsichtlich Tierwohl und Wirtschaftlichkeit um einen sehr wichtigen Merkmalskomplex, für den bisher nur für die Rasse Holstein Zuchtwerte veröffentlicht wurden, seit Dezember ist es auch bei Fleckvieh und Brown Swiss so weit.

Klauenbefunde und Diagnosen entscheidend

In den letzten Jahren wurden viele Daten von Klauenpflegern aber auch von Landwirten z. B. im Rahmen verschiedener Projekte (z. B. Klauen-Q-Wohl, FoKUHs, D4Dairy, FleQS, Fleckfficient usw.) erfasst. Bei den Klauenbefunden der Klauenpfleger und Beobachtungen der Landwirte wurden aus der Vielzahl an Einzelmerkmalen 6 Merkmale mit höherer Frequenz und verwertbarer Erblichkeit für die ZWS ausgewählt. Es sind dies Mortellaro, Limax, Weiße-Linie-Defekt, Klauengeschwür, Ballenhornfäule und Klauenrehe. Zusätzlich wird ein Merkmal definiert, das alle sonstigen Klauenbefunde umfasst.

Tierärztliche Diagnosen stehen zwar teilweise schon länger zur Verfügung (in Österreich seit 2006), stellen aber nur die Spitze des Eisbergs dar. Bei den tierärztlichen Diagnosen wird für die ZWS nur unterschieden, ob überhaupt irgendeine Klauendiagnose vorliegt oder nicht.

Nach entsprechender Validierung gehen beim Fleckvieh ca. 250.000 Kühe mit Klauenpflegeinformationen bzw. 380.000 Kühe mit Tierarztdaten in die ZWS ein.

Im ZWS-Modell werden folgende Umwelteinflussfaktoren berücksichtigt: Region, Kalbejahr, Kalbemonat, Laktation, Kalbealter, Laktationsstadium, Klauenpfleger/Tierarzt, Erfassungsart und Betrieb.

Tabelle 1: Erblichkeiten (Heritabilitäten) und wirtschaftliche Gewichte zur Berechnung des Klauengesundheitswerts KGW

Die Erblichkeiten für die Einzelmerkmale liegen zwischen etwa 2 und 9 % (Tabelle 1). Durch die Kombination der Einzelmerkmale entsprechend der wirtschaftlichen Gewichtung errechnet sich die Erblichkeit für den Klauengesundheitswert KGW beim Fleckvieh mit 6,3 %.

Abgangsursache als wichtige Hilfsinformation

Da der Zeitraum mit ausreichender Datenerfassung sehr kurz ist und aus manchen Regionen in der gemeinsamen ZWS noch keine oder kaum Klauendaten vorliegen, werden Hilfsmerkmale in der ZWS verwendet, um die Sicherheit der Zuchtwerte zu erhöhen. Ein sehr wichtiges Hilfsmerkmal ist die Abgangsursache Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen. Der große Vorteil dieses Merkmals ist, dass es auch aus Regionen bzw. von Betrieben ohne Klauenbefunde zur Verfügung steht und das ohne Zusatzaufwand. Für die Abgangsursache wurde eine eigene ZWS analog zur ZWS Nutzungsdauer entwickelt (Erblichkeit 2,2 %). Die Bedeutung der Abgangsursache Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen erklärt sich aus der hohen genetischen Korrelation von 0,68.

Neben der Abgangsursache haben sich die Hauptnoten für Rahmen und Fundament als informative Hilfsmerkmale für die Klauengesundheit erwiesen. Einerseits zeigen rahmigere und damit schwerere Kühe mehr Klauenprobleme (genetische Korrelation -0,17), andererseits weist eine höhere Fundamentnote in der Tendenz auf weniger Klauenprobleme hin (genetische Korrelation +0,17).

Single-Step in mehreren Schritten

Die ZWS für Klauengesundheit erfolgt, wie aus Abbildung 1 ersichtlich, in mehreren Schritten. Erster Schritt ist eine Mehrmerkmals-Single-Step-ZWS mit den Klauenpflegemerkmalen und tierärztlichen Diagnosen, aus dem der originale KGW1 resultiert. Parallel dazu wird die ebenfalls neu entwickelte ZWS für die Abgangsursache Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen (AB) in Form eines multivariaten BLUP-Tiermodells durchgeführt. Analog dazu werden auch umweltkorrigierte Phänotypen aus der Routine-ZWS für Exterieur für Rahmen (RA) und Fundament (FU) verwendet.

Diese vier Merkmale – KGW1, Abgang Klaue, Rahmen und Fundament – gehen als Phänotypen in den letzten Schritt ein, ebenfalls eine Mehrmerkmals-Single-Step-ZWS (ssGBLUP). Der finale Zuchtwert aus diesem Single-Step-Lauf ist schließlich der Klauengesundheitswert KGW, der einerseits alle direkten Klauenmerkmale enthält, aber auch die Information der Hilfsmerkmale beinhaltet. Der KGW wird als einziger Zuchtwert aus diesem neuen ZWS-System veröffentlicht.

Abbildung 1: Schematische Darstellung der ZWS für Klauengesundheit

Abb. 1: Schematische Darstellung der ZWS für Klauengesundheit

Die Klauengesundheitswerte KGW liegen, wie bei den Relativ-Zuchtwerten üblich, ungefähr im Bereich zwischen 70 und 130 und werden bei Stieren und Kühen veröffentlicht (Bedingung: Sicherheit mind. 30 %). Bei den genotypisierten Kandidaten werden Sicherheiten von ca. 65 % erreicht. Der genetische Trend für den KGW ist beim Fleckvieh leicht negativ.

Generell gibt es wenige Merkmale, zu denen ein stärkerer Zusammenhang des Zuchtwertes KGW festzustellen ist. Die höchste positive Korrelation besteht zur Nutzungsdauer (ca. +0,25), die höchste negative mit -0,20 zum Rahmen. Zu Milchwert und Milchmenge zeigt sich eine leicht negative Beziehung.

In Abbildung 2 ist der durchschnittliche Zusammenhang zwischen dem KGW der Stiere und dem Anteil an Klauenbefunden und tierärztlichen Diagnosen ihrer Töchter dargestellt („Top-Flop“). Bei den Klauenbefunden liegt der durchschnittliche Unterschied zwischen Stieren mit einem KGW unter 90 bzw. über 110 bei ca. 8 % und bei den tierärztlichen Diagnosen bei 4 %.

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen KGW und Anteil Klauenbefunde bzw. tierärztliche Diagnosen beim Fleckvieh

Abb. 2: Zusammenhang zwischen Klauengesundheitswert und Anteil Klauenbefunde bzw. tierärztliche Diagnosen beim Fleckvieh

In Tabelle 2 sind ein paar Beispiele mit den höchsten und niedrigsten KGWs. Es sind im Allgemeinen, die aus Abbildung 3 ersichtlichen Unterschiede zu erkennen, allerdings ist zu bedenken, dass es sich dabei um rein phänotypische, unkorrigierte Werte handelt, die die Realität aus genetischer Sicht selbstverständlich nicht vollständig abbilden können. Darüber hinaus wirken sich auch die Hilfsmerkmale, insbesondere die Abgangsursache Klaue, aus, sodass es im Einzelfall zu Abweichungen von den Erwartungen kommt. Beim Fleckvieh liegt der intern berechnete Zuchtwert Abgangsursache bei den in Tabelle 2 angeführten Top-5 nach KGW bei 113 und bei den Flop-5 bei 89.

Tabelle 2: Fleckvieh-Stiere mit höchsten bzw. niedrigsten KGW (ab 2012, mind. 100 Töchter mit Klauenpflegedaten und 50 Töchter mit Tierarztdaten)

Tabelle 2: Fleckvieh-Stiere mit höchsten bzw. niedrigsten KGW (ab 2012, mind. 100 Töchter mit Klauenpflegedaten und 50 Töchter mit Tierarztdaten).

nKP = Anzahl Töchter mit Klauenpflegedaten, nTA = Anzahl Töchter mit Tierarztdaten
KP% = Anteil Töchter mit Klauenpflegebefund, TA% = Anteil Töchter mit tierärztlicher Klauendiagnose

Fazit

In die ZWS gehen nach entsprechender Validierung die Klauenbefunde von Klauenpflegern bzw. Landwirten und die tierärztlichen Klauendiagnosen ein und werden gemäß ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gewichtet. Als Hilfsmerkmale werden im Rahmen einer Single-Step-ZWS außerdem die Abgangsursache Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen und die Exterieurmerkmale Rahmen und Fundament berücksichtigt. Der resultierende Zuchtwert ist der sogenannte Klauengesundheitswert KGW, der seit Dezember 2023 für die Rassen Fleckvieh und Brown Swiss im Fitnessblock veröffentlicht wird, aber vorerst weder in den Fitnesswert FIT noch in den Gesamtzuchtwert GZW eingerechnet wird. Anpassungen im Zuchtziel (GZW) sind erst nach Einführung weiterer in Arbeit befindlicher Zuchtwertschätzungen (Stoffwechselstabilität, Energieeffizienz …) vorgesehen.

Die neue ZWS Klauengesundheit schließt eine wichtige Lücke im Fitness- und Gesundheitsbereich und soll auch dazu motivieren, verstärkt Klauenpflege- und Gesundheitsdaten zu erfassen. Herzlichen Dank an alle, die Klauendaten dokumentieren und für die ZWS zur Verfügung stellen und damit die Grundlage für diese wichtigen Zuchtwerte bereitstellen.

Autoren: Christian Fürst, Hermann Schwarzenbacher, Judith Himmelbauer und Christa Egger-Danner, ZuchtData Wien, für das ZWS-Team DAC