Nutztierhaltung versus Klimaschutz

Brauchen wir überhaupt noch Rinder?

Der Klimawandel wird immer spürbarer und in seinem Schatten baut sich eine weitere Bedrohung für die Menschheit auf. Die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche pro Erdenbürger nimmt immer mehr ab, nicht nur weil die Weltbevölkerung weiterwächst, sondern auch durch Versiegelung, Erosion oder Wüstenbildung infolge des Klimawandels.

Fleckviehkühe auf der Weide, agrarfoto.com

Wenn heutzutage eine Fläche von einem Fußballfeld drei Menschen ernähren muss, sind es im Jahr 2050 mehr als fünf Menschen. Der Krieg in der Ukraine gibt uns eine Vorahnung auf diese Entwicklung, denn der Zugang zu den Ackerflächen dieser Region ist derzeit massiv eingeschränkt. Gleichzeitig belegt der Anbau von Nutztierfutter in Mitteleuropa etwa die Hälfte der Ackerfläche und weltweit gehen ein Drittel der Ernte an Getreide und Mais und mehr als drei Viertel der Sojaernte in den Tiermagen. Unsere Nutztiere stehen deshalb als Verschwender von Lebensmitteln, Umweltverschmutzer und insbesondere die Rinder mit ihrem Methanausstoß als Beschleuniger der Klimakrise in der öffentlichen Kritik. In der Tat verursacht die derzeitige Nutztierhaltung durchaus Probleme in Bezug auf Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz. Aber sollen wir deshalb die Tierhaltung völlig aufgeben? Welche Rolle spielen insbesondere die Rinder in einer nachhaltigen Erzeugung von Lebensmitteln durch unsere Landwirtschaft?

Viel nicht essbare Biomasse

Landwirtschaft erzeugt Biomasse, die zum weitaus größten Teil vom Menschen gar nicht essbar ist. So besteht die landwirtschaftliche Nutzfläche in Mitteleuropa zu 30 bis 40 Prozent aus absolutem Grasland, weltweit sind es über 70 Prozent. Diese Flächen sind für die Nutzung als Ackerland ungeeignet (z. B. wegen zu großer Hangneigung, Erosionsgefahr, Überschwemmungsgebiet, Höhenlage usw.). Sie erzeugen ausschließlich nicht essbare Biomasse (Gras). Aber auch die Biomasse von Ackerflächen ist zum überwiegenden Anteil nicht essbar. In Mitteleuropa fallen 5 bis 10 Prozent der Ackerflächen durch Gründüngung (z.B. Kleegras) regelmäßig aus dem Anbau lebensmittelliefernder Kulturen. Die sinkende Verfügbarkeit von mineralischem Stickstoffdünger aufgrund der Verteuerung von Energie wird diesen Anteil noch weiter ansteigen lassen. Auch innerhalb der lebensmittelliefernden Kulturen ist mindestens die Hälfte der Biomasse nicht essbar (z. B. Stroh). Und selbst die Ernteprodukte (z. B. Körner) liefern bei ihrer Verarbeitung nochmals nicht essbare Nebenprodukte (z. B. Kleie) im Umfang von etwa einem Drittel der Biomasse der Ernteprodukte. In der Summe entstehen in der Landwirtschaft und bei der Weiterverarbeitung der pflanzlichen Ernteprodukte je Kilogramm veganem Lebensmittel mindestens vier Kilogramm nicht essbare Biomasse.

Wohin mit der nicht essbaren Biomasse?

Die nicht essbare Biomasse enthält enorme Mengen an Pflanzennährstoffen (Stickstoff, Phosphor usw.), die wieder zurück auf die landwirtschaftliche Nutzfläche gebracht werden müssen. Bloßes Einarbeiten in den Boden ist ineffizient, denn die Freisetzung der Nährstoffe erfolgt nicht synchron mit dem Bedarf der Kulturpflanzen. Wesentlich wirkungsvoller sind dagegen organische Dünger, die man lagern und dem Bedarf der Kulturpflanzen entsprechend gezielt ausbringen kann. Solche organischen Dünger entstehen bei der Verwertung der nicht essbaren Biomasse in Biogasanlagen (Gärreste) oder bei der Verfütterung an Nutztiere (Wirtschaftsdünger). Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schließung von Nährstoffkreisläufen über lagerbare organische Dünger den Ernteertrag im Vergleich zum bloßen Verrotten in etwa verdoppelt.

Auszug aus dem Artikel „Nutztierhaltung versus Klimaschutz – brauchen wir überhaupt noch Rinder?“ von Prof. Dr. Wilhelm Windisch, Technische Universität München; Foto: agrarfoto.com